Interview

martin_und_jugendliche

«Wer mehr sozialen Ausgleich und mehr Demokratie will, muss die Finanzmafia und ihr Casino entmachten.»

Warum kandidieren Sie am 18. Oktober für den Nationalrat?
Es besteht die Gefahr, dass in unserem Land die Zukunftsperspektiven vieler dem Profit von wenigen geopfert werden. Am 18. Oktober sind Richtungswahlen für eine Schweiz des sozialen Zusammenhalts und der Demokratie. Meine Kampagne steht unter dem Titel «Die Schweiz kann mehr.

Was läuft aus Ihrer Sicht falsch?
Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Das darf in der Schweiz, einem der wohlhabendsten Länder der Welt, nicht sein. Im Gegensatz zum stagnierenden Mittelstand können es sich Reiche leisten, auf Finanzmärkten hohe Renditen zu erzielen. Ihre Gewinne investieren sie häufig erneut in hochriskante Spekulationen von Hedgefonds und Grossbanken und nicht in die produzierende Wirtschaft. Diese Logik gleicht einem Casino, in dem gegen die Mehrheit unserer Bevölkerung und gegen den Werkplatz Schweiz gespielt wird.

Und wetten sie falsch, so werden sie gerettet?
Die immensen Kosten solcher Wetten werden auf die Bevölkerung abgewälzt. Grossbanken, die eine gewisse Bedeutung erreicht haben – unter dem Begriff «too big to fail» bekannt – müssen im Notfall vom Staat gerettet werden. In der Finanzkrise 2008/2009 musste die UBS mit 68 Milliarden Franken gestützt werden. Die Kosten tragen also wir alle. Es drohen Sparprogramme und Angriffe auf unsere Renten und Sozialwerke. Somit öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter und der Mittelstand wird geschwächt. Geld ist nicht mehr Diener sondern Herrscher unserer Gesellschaft. Dies schadet der Demokratie und dem Zusammenhalt in unserem Land.

Wie können wir dies ändern?
Unter anderem mit einem Steuersystem, das den Finanzmarkt zähmt und der wachsenden ungerechten Vermögensverteilung entgegenwirkt. Dafür bestehen zwei Möglichkeiten. Mit der Einführung einer Börsensteuer werden auch die Geldgeschäfte der Börsen und Banken besteuert. Diese Branche ist im Unterschied zum realen Warenverkauf immer noch steuerbefreit.

Und die zweite Möglichkeit?
Das heutige Steuersystem könnten wir durch eine Steuer auf jede elektronische Zahlung ersetzen. Eine solche Mikrosteuer von 0,2 Prozent pro Zahlung würde mehr einbringen als alle heute in unserem Land erhobenen Steuern, weil auch die elektronischen Buchungen auf den Finanzmärkten besteuert würden. Davon profitieren die meisten Haushalte und viele Unternehmen.

Die Einführung einer Börsensteuer, auch «Tobin Tax» genannt, ist eine von zehn Forderungen der SP für die Wahlen 2015. Die Mikrosteuer, eine Idee des Zürcher Unternehmers Felix Bolliger, wurde von Professor Marc Chesney im Buch «Vom Grossen Krieg zur permanenten Krise» (2014) ausgeführt.