Die mediale Hysterie um den Doppeladler und um Doppelbürger folgen zeitlich nah aufeinander und greifen ineinander. Es lohnt sich, diese Themen differenziert aber entspannt anzugehen – auch als Gegengewicht zu Abschottungstendenzen in der europäischen Asylpolitik, welche zeitgleich die «Festung Europa» zementiert.
Doppeladler – ein omnipräsentes Symbol auf dem Balkan
Man kann den Doppeladlergruss von Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri im WM-Spiel gegen Serbien unterschiedlich beurteilen. Doch eine nationalistische oder politische Provokation ist er nicht! Der Doppeladler prägt als Wappentier die albanische Flagge. «Kuq e zi» – die rot-schwarze Fahne – gehört zum Bild jedes albanischen Dorfs. Genauso ist sie im albanisch dominierten Kosovo omnipräsent – auch in Gebieten mit serbischer Bevölkerung. Während meinen verschiedenen Aufenthalten im Kosovo habe ich sie weder als Problem noch als Provokation wahrgenommen.
Dieser eigentlich harmlose Doppeladlergruss wurde in gewissen serbischen Medien als Provokation hochstilisiert. Der serbische Aussenminister – der ehemalige Sprecher des Gewaltherrschers Milosevic im Balkankrieg, welcher Kriegsverbrechen an der kosovo-albanischen Bevölkerung zu verantworten hatte, unter denen heute noch ganze Generationen leiden – verstieg sich sogar zur Frage, ob im WM-Spiel gegen Serbien die Nationalmannschaft der Schweiz, Albaniens oder Prishtinas (Hauptstadt Kosovos) spielte. Diese Propaganda wurde in der Schweiz in gewissen Kreisen kritiklos übernommen und in Verbindung mit der Frage nach «richtigen» oder «falschen» SchweizerInnen gebracht. Dies befeuerte eine Debatte um den Ruf der kosovo-albanischen Bevölkerung, die in unserem Land oft zu Unrecht zu verstehen bekommt, dass sie nicht ganz dazugehört und so immer wieder um Anerkennung kämpfen muss. Tatsache ist, dass ihre wirtschaftliche Situation immer noch unter dem Schweizer Durchschnitt ist:
https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/publiservice/publikationen/diaspora/diasporastudie-kosovo-d.pdf
Doppelte Staatsbürgerschaft – Zeichen einer liberalen Gesellschaft
Das Infragestellen der doppelten Staatsbürgerschaft durch den Generalsekretär des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) erfolgte nahtlos an die Debatte um den Doppeladlergruss. Dieser «Steinzeitkommentar» – wie ihn Granit Xhaka zu Recht bezeichnet hatte – warf hohe mediale Wellen und heizte die Frage nach «richtigen» oder «falschen» SchweizerInnen zusätzlich an.
Die Geschichte unseres Landes ist eine Migrationsgeschichte. Menschen, die hier leben, haben unterschiedlichste familiäre und kulturelle Hintergründe. In der Schweiz sollte es selbstverständlich sein, dass Menschen, welche hier leben – unabhängig ihrer Herkunft, ob mit einem oder zwei Pässen – persönlich, beruflich und sportlich in ihrer Entwicklung gefördert werden. Langläufer Dario Cologna, Tennisspieler Roger Federer oder die Mehrheit der Spieler unserer Fussballnationalmannschaft zeigen dies erfolgreich. Alles andere wäre einem liberalen Land nicht würdig.
Zum Schluss noch dies: Es stellt sich nach dem Infragestellen der doppelten Staatsbürgerschaft durch den SFV die Frage, ob die Spieler unserer Fussballnationalmannschaft während der Hysterie rund um den Doppeladler genügend Loyalität und Rückendeckung der Verantwortlichen des Verbands verspürten. Verloren sie in diesem Medienrummel zu viel Kraft, Energie und Emotionen, die ihnen während dem ungewohnt lauen Auftritt im WM-Achtelfinal gegen Schweden fehlten?
Vielleicht hat der brasilianische Sportjournalist Cleber Machado mit seinem Tweet, in dem er den Doppeladler als Friedenstaube deutete, die passendste Antwort bereit. Diese Symbolik würde allen, welche Öl in die Debatte um «richtige» oder «falsche» Landsleute giessen, gut anstehen.