Rede an der Parteiversammlung der SP AI vom 19. Januar 2017
Liebe Genossinnen und Genossen
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde
Zu Beginn unseres Jubiläumsjahrs «5 Jahre SP AI» steht – einmal mehr – die Demokratie im Zentrum. Fakt ist: Je demokratischer eine Gesellschaft organisiert ist, umso ausgeglichener ist die Macht verteilt und umso besser sind die Chancen für ein friedliches Miteinander.
Wir fassen heute die Parole zur Abstimmungsvorlage über die erleichterte Einbürgerung. Migrantinnen und Migranten sind ein bedeutender Teil der arbeitenden Bevölkerung in unserem Land. Sie tragen damit zu einer prosperierenden Schweiz bei. Ihnen ist jedoch die politische Mitbestimmung in unserem Land vorenthalten. So werden MigrantInnen zu Mitmenschen zweiter Klasse degradiert. Wer hier wohnt und Steuern bezahlt, soll auch politisch mitbestimmen.
Wirklich demokratisch, liebe Genossinnen und Genossen, ist eine Gesellschaft jedoch erst, wenn sie in allen möglichen Bereichen – auch dort, wo Reichtum und ökonomische Macht verteilt werden – demokratisch organisiert ist. Deshalb haben wir uns von der SP AI am SP-Parteitag im Dezember letzten Jahres für die Wirtschaftsdemokratie stark gemacht. Vertiefende Informationen dazu werden wir im Verlauf dieses Jahres durch ein neues Bildungsmodul der SP erhalten.
Die aktuelle Entwicklung zeigt: Die heutige Wirtschaftsordnung bevorzugt in beispielloser Art die Besitzer grosser Kapitalvermögen gegenüber der arbeitenden Bevölkerung. So diktieren Vertreter des Grosskapitals Standortbedingungen. Auch aktuell in der Abstimmungskampagne zur Unternehmenssteuerreform III drohen sie, unser Land zu verlassen, wenn ihnen via Steuersenkungen keine zusätzlichen Gewinne zugestanden werden. Diese Geiselhaft des Kapitals schadet der Demokratie.
Genossinnen und Genossen
Schon seit Ende der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts wird das Kapital systematisch auf Kosten von Lohn und Rente entlastet. Liberalisierungen und Privatisierungen folgten. Das Kapital wurde bei Steuern laufend begünstigt: die Erbschaftssteuern wurden beispielsweise gesenkt und die Kapitalsteuern halbiert. Kurz: Steuervermeidung wird zum Businessmodell. Arbeitseinkommen werden belastet – z.B. mit Erhöhungen bei der Mehrwertsteuer.
Genossinnen und Genossen
So finanziert die Allgemeinheit seit bald zwanzig Jahren Gewinne der Konzerne und Einkommen der Kapitaleigentümer, Scheichs in Dakar und Staatsfonds in Singapur. Zugleich machen den Menschen in unserem Land steigende Krankenkassenprämien und Mieten Angst.
Diesen Raubzug des Kapitals müssen wir stoppen! Die SP steht für Arbeit und Lohneinkommen. Wir sind für all jene da, die von Lohn- und Renten leben. Deshalb haben wir an unserer letzten Parteiversammlung beschlossen, die USR III, wie sie zur Abstimmung kommt – diesen «Milliardenbschiss am Mittelstand» – zu bekämpfen. Diese Reform muss durch das Kapital – also durch Kürzungen von Privilegien der Grossaktionäre und Konzerne gegenfinanziert werden – und nicht auf Kosten unserer Löhne und Renten!
Damit sich die Demokratie wirklich entfalten kann, braucht es ein Finanz- und Steuersystem, das primär der breiten Bevölkerung dient. Deshalb stellten wir im November an unserer ersten Veranstaltung «Appenzell diskutiert» mit der «Automatischen Mikrosteuer auf allen elektronischen Zahlungen» eine unbürokratische und gerechte Steuer vor, welche die Mehrheit der Bevölkerung, die KMU und die real produzierende Wirtschaft stärkt. An diesem innovativen Projekt bleiben wir weiterhin dran.
Unsere kommende öffentliche Diskussionsveranstaltung «Appenzell diskutiert» vom 6. Februar steht unter dem Titel «Demokratie in Innerrhoden – Chancen und Grenzen». Wir hoffen auf rege Diskussionen über die Landsgemeinde, das Wahlsystem und die Strukturreform, welche an der Landsgemeinde zur Abstimmung kommt. Speziell das Innerrhoder Majorzwahlsystem ist aus demokratischer Sicht fragwürdig. Deshalb ist die Ausarbeitung einer Proporzwahl-Initiative ein Projekt, das sich lohnt, weiterzuverfolgen. Denn in unserem Positionspapier «Mehr Demokratie», welches wir letztes Jahr verabschiedet haben, fordern wir ein Wahlsystem, das auch Minderheiten berücksichtigt.
Ein weiteres mögliches Initiativprojekt, liebe Genossinnen und Genossen, ist das Errichten einer kantonalen Ombudsstelle. Wir haben im Positionspapier «Mehr Demokratie» gefordert, dass es in unserem Kanton eine unabhängige Meldestelle für Whistleblowing braucht. In den kleinräumigen Verhältnissen Appenzell Innerrhodens ist das Anbringen von Hinweisen auf regelwidriges Verhalten, Missstände, illegales Handeln oder Korruption schwierig. Es fehlt eine zuständige neutrale Anlaufstelle, wo Private wie auch Angestellte der öffentlichen Verwaltung solche Unregelmässigkeiten anbringen und sich beraten lassen können. Es bleiben einzig die Möglichkeiten, zu schweigen, die Öffentlichkeit via Medien zu suchen oder – für Finanzstarke – einen Anwalt einzuschalten. Dies ist aus demokratischer Sicht unhaltbar.
Es freut uns, dass wir heute unsere Genossin Kathrin Hilber aus St. Gallen bei uns begrüssen dürfen. Sie wird uns über kantonale Ombudsstellen informieren.
Liebe Genossinnen und Genossen
Demokratie ist ein gemeinsamer Lernprozess. Je mehr Menschen sich politisch beteiligen, umso bessere Lösungen finden wir für unsere Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. Eine breite politische Vielfalt ist ein wichtiger Bestandteil unserer Demokratie. Dies gilt auch für unsere noch junge und kleine Partei. Wir haben uns deshalb zum Ziel gesetzt, im Jubiläumsjahr «5 Jahre SP AI» 5 neue Mitglieder und 5 neue SympathisantInnen zu gewinnen. Dazu brauchen wir euch alle!
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein erfreuliches 2017. Wir von der Parteileitung freuen uns auf konstruktive Auseinandersetzungen – zusammen mit euch – für eine soziale, offene und ökologische Gesellschaft.
Vielen Dank!