Rede von Martin Pfister am 4. ordentlichen Parteitag der SP AI vom 27. August 2016
Liebe Genossinnen und Genossen
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde
Liebe Gäste
«Die SP ist die Kraft, welche für die Interessen der Gesamtbevölkerung einsteht. Wir verteidigen ein Alter in Würde mit guten Renten und einer starken AHV für alle. Wir wollen allen Menschen gleiche Chancen bieten – unabhängig von ihrem Portemonnaie oder ihrer Herkunft. Wir kämpfen dafür, dass alle einen Beitrag an die Gemeinschaft leisten und nicht auf Kosten von allen Privilegien an Mächtige und Vermögende verteilt werden. Wir wollen, dass wir unseren Nachkommen eine Umwelt mit intakten Lebensgrundlagen übergeben können. Wir kämpfen für Demokratie und Mitbestimmung in sämtlichen Lebensbereichen.» So beginnt der Aufruf unserer Partei zur Unbequemlichkeit – im Sinne der Gesamtbevölkerung. Er ist der aktuelle Kompass für unsere Politik für alle statt für wenige – als Antwort auf die Abbauprojekte der rechtsbürgerlichen Parlamentsmehrheit in unserem Land.
Genossinnen und Genossen
Wir stellen uns gegen das aktuelle Rentenmassaker der nationalrätlichen Kommission mit einem Rentenalter von 67 Jahren und einer Senkung des Umwandlungssatzes bei der zweiten Säule. Wir kämpfen für eine Erhöhung der AHV-Rente und stärken somit dieses Erfolgsmodell der Schweiz. Unser Ziel ist eine Erhöhung der Altersrente und nicht des Rentenalters. Sind nicht jene, die für eine Erhöhung des Rentenalters plädieren die gleichen, welche über 50-Jährige nicht mehr beschäftigen wollen, weil sie zu teuer oder zu wenig produktiv sind?
Die SP nimmt erneute Steuergeschenke für Grosskonzerne auf dem Buckel der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht mehr hin. Deshalb unterstützen wir das Referendum zur USR III. Auch nach der Ablehnung unserer Initiative «Wohnen für alle» stehen wir in unserem Kanton weiterhin für bezahlbare Wohnungen ein. Dafür haben wir in unserer Vernehmlassungsantwort zum kantonalen Richtplan unmissverständlich Stellung bezogen. Zudem stehen wir für die humanitäre Tradition unseres Landes und für einen fairen Umgang mit Menschen, die bei uns anklopfen. Der Bund erwartet 10’000 Asylsuchende weniger als letztes Jahr. Es ist beschämend, dass in Como – vor den Toren unseres reichen Landes – trotzdem 3000 Menschen unter misslichen Bedingungen und ohne gutes Beratungs- und Betreuungsangebot festsitzen.
Liebe Genossinnen und Genossen
Perspektivenlosigkeit fördert Gewalt. Grauenvolle Terroranschläge und Angriffe auf unsere offene Gesellschaft häufen sich. Wenn wir jedoch darauf mit einem verschärften Nachrichtendienstgesetz reagieren, das seinerseits unsere Freiheiten einschränkt, kriechen wir der Strategie des Terrors auf den Leim. Denn eines ist klar: Terror können wir nicht mit Repression und Abschreckung bekämpfen und unsere Freiheit ist nicht durch einen Polizei- und Schnüffelstaat zu verteidigen. Dies gelingt vielmehr durch weniger Kriege, weniger Kriegsmaterialexporte und weniger ökonomische Ausbeutung – durch eine gerechtere Verteilung von Vermögen und Lebenschancen in einer Gesellschaft, welche allen Perspektiven, Chancen und Hoffnung bietet.
Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg verteidigte jene offene und freie Gesellschaft, welche vor fünf Jahren beim grausamen Anschlag in Oslo und auf Utøya mit Waffen und Bomben hätte zerstört werden sollen, mit starken Worten: «Unsere Antwort auf den Terror wird mehr Demokratie, mehr Offenheit und mehr Toleranz sein».
Genossinnen und Genossen
Wir schützen unsere Freiheit durch mehr Freiheit. Mehr Demokratie ist unser Programm. Die direkte Demokratie ist ein gemeinsamer Lernprozess. Dessen Qualität wächst mit jedem Menschen, der sich einbringt. Je mehr Einwohnerinnen und Einwohner sich politisch engagieren, umso mehr Ideen kommen für die Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit zusammen. So gestalten wir die Politik. Demokratie erfordert ein hohes Mass an Sensibilität für Minderheiten. Sie darf nicht zum Terrorregime der Mehrheit verkommt.
In diesem Sinne haben wir am Nationalfeiertag elf Massnahmen zu mehr Demokratie veröffentlicht, welche in der breiten Bevölkerung kontrovers aufgenommen wurden. Das verspricht Spannung für die heutige Debatte über eine Whistleblowingstelle in unserem Kanton, über Anpassungen der Landsgemeinde an die Moderne des 21. Jahrhunderts bis hin zu mehr Demokratie in Bereichen von Wirtschaft und Finanzmärkten.
Auch mit unserer neuen Bildungsplattform unter dem Namen «Appenzeller Gespräche» oder «Appenzell diskutiert» fördern wir in der breiten Öffentlichkeit den Ideenaustausch und beleben unsere Demokratie. An der ersten Veranstaltung vom 24. November informieren wir zusammen mit Professor Marc Chesney über die mächtigen und intransparenten Finanzmärkte und ihre Funktionsstörungen und debattieren über Lösungsansätze.
So bilden und stärken wir unsere Basis. Jacqueline Fehr, unsere Mentorin in der Gründungszeit, pflegt jeweils zu sagen: «Mehr zu wollen, provoziert das gemütliche Mittelmass.» Deshalb braucht es eine starke, lebendige SP mit aktiven und kreativen Mitgliedern, Sympathisantinnen und Sympathisanten. Die Energie dazu nehmen wir – ganz nach Helmut Hubacher, dem ehemaligen SP-Präsidenten – aus dem Strom, gegen den wir schwimmen. So starten wir, liebe Genossinnen und Genossen, gestärkt in unser Jubiläumsjahr «Fünf Jahre SP AI».
Vielen Dank für eure Unterstützung und eure Aufmerksamkeit.